3rdEye
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Wilco - Yankee Hotel Foxtrot
Wilco waren dereinst die Speerspitze der alternativen Folk/Country Bewegung, die eine Erneuerung des altgedienten Themas versuchte, indem sie ihn mit Rock, Punk und Pop mischte. Aber bereits ihr letztes Album "Summer Teeth" liess viele Fans, und dazu gehöre auch ich entsetzt aufschreien, war es doch an den Beach Boys orientierter Pop. Schlecht für Puristen, die sich einen erdigen Sound wünschen, gut für alle die gerne *Hu-Hu-Hu* Chöre hörn. Auf "Yankee Hotel Foxtrot", dem letzten und von mir nun vorgestellten Album der Band um Sänger und Songschreiber Jeff Tweedy orientieren sie sich am Indiepop Placementscher Prägung.
Der Opener "I am trying to break you heart" beginnt mit Klaviergeklimper und einem unbestimmtem Spiel der Band. Irgendwann setzt Tweedy ein, dann poltert das Schlagzeug dazwischen und irgendwie endet dann alles in unzusammenhängendem Krach. Indiegeschrammel. Ganz nett, aber irgendwie nicht ganz passend für ein Folk Album wie ich finde. Wenn ich so etwas in Perfektion hören möchte geh ich zu den Pixies. Ein nicht gerade erfreulicher Anfang also.
Das folgende Stück namens "Kamera" dagegen ist dann ein kompletter Gegensatz. Beschwingter, entspannter und sonniger Pop. Mit Handclaps und was man sonst noch so zum Wohlfühlen braucht. Mit dem nächsten Song "Radio Cure" gibt es wieder den Bruch: Tweedys gepresster Gesang wird von unheilschwangeren Trommeln begleitet.
Weiter gehts mit dem super eingängigen "War on War". Typisch für diese Platte, dass ein ernstes Thema in eine gute Laune Melodie verpackt wird. Mit "Jesus, etc." begeben sie sich zurück zu ihren Folkwurzeln, sogar eine Fiddle ist zu hören. Beiden Songs gemein ist der erstklassige Harmoniegesang, trotz allem weit weg vom Beach Boys Sound der Vorgängerplatte.
Der nächste Song heißt "Ashes of American Flags" eine jammernde Gitarre und wieder mal das wunderbar scheppernde Schlagzeug. Und darüber singt Tweedy klagend "Oh, all my lies are always wishes / I know i will die if i could come back new". Was das mit der Asche der US Flagge zu tun hat, muss jeder selbst entscheiden.
Track 7 ist dann sonniger Pop, erinnert stark an Pavement und nicht etwa wie der Titel "Heavy Metal Drummer" vermuten lässt an Metallica und Konsorten. Auch wenn es abgedroschen klingen mag: dieser Song wäre in einer besseren Welt ein Riesenhit! "I miss the innocence I've known / Playing KISS covers / Beautiful & stoned"
Einer der Höhepunkte ist "Im the man who loves you" groovy Melodie und quängelnde Gitarren, die stark an Cake in ihren besten Momenten erinnern. Natürlich ist auch hier die Liebe mal wieder unerwiedert: "If i could, you know i would / Just hold your hand & you'd understand".
Abgeschlossen wird das Album schliesslich von der wunderbaren Ballade "Reservations". Tweedy singt zärtlich, begleitet nur von Klavier, Schlagzeug und bedrohlich wirkender Elektronik.
Das am Ende für manche Leute eher substanzlose Misch Masch aus Elektroeffekten und Gitarrenfolk fällt mir persönlich in keinster Weise negativ auf, sondern unterstreicht nur den düsteren, etwas merkwürdig wirkenden Charakter des Liedes. Schön.
"Yankee Hotel Foxtrot" besteht auf der einen Seite aus wunderbaren herrlich luftigen und harmonischen Sommerpopsongs und auf der anderen Seite aus Balladen, die vom Song her genauso herrlich sind, aber mit ein bissel viel elektronischem Gefiepe aufwarten. Für die manchen ist diese Tatsache vielleicht ein Dorn im Auge, ich finde es nur mutig und interessant anzuhören. Solch einen Stilmix findet man nicht aller Tage.
"Yankee Hotel Foxtrot" ist schöner Indiepop , mit anspruchsvollen Texten, herrlichen Songs, lustigen Elektrogimmicks und ordenlich Folk im Blut. Schöne Platte.
Anspieltipps: Kamera, Jesus. etc., Heavy Metal Drummer, Reservations
8/10
Hörproben