Ich gebe dir insofern Recht, dass Gesetze immer nachvollziehbar sein müssen. Das heißt aber nicht, dass jede Berechnung nur durch "Plus/Minus/Mal/Geteilt" im Kopf schaffbar sein muss. Auch unser aktuelle Steuerformel ist übrigens kaum ohne PC nachzuvollziehen (weswegen man seine Steuererklärung ja auch mit einem PC-Programm macht oder sie auf Papier aufschreibt, was dann von den Finanzbeamten in ein Programm eingegeben wird).
Es gibt einen Unterschied zwischen "nachvollziehen können" und "den am Ende fälligen Betrag im Kopf ausrechnen können".
Bei der derzeitigen Einkommenssteuer braucht man nur die vier Grundrechenarten, überhaupt ist das ganze derzeitige System mit Steuerstufen (bis 8.130 € Freibetrag, von 8.130 € bis 13.469 € 14% usw.) grundsätzlich wohl für jedermann oder zumindest eine überwältigende Mehrheit der Steuerpflichtigen tatsächlich nachvollziehbar.
Bei den unzähligen Regelungen, was alles abgesetzt werden kann, blickt man ohne Steuerberater vielleicht nicht mehr durch, daher bin ich ein großer Befürworter davon, das Steuerrecht weiter zu vereinfachen. Aber das Grundprinzip mit den Steuerstufen ist extrem einfach zu verstehen und unter anderem deshalb genau richtig.
Statt zu schreiben xyz tritt ein wenn abc erfüllt ist wird geschrieben xyz tritt nicht ein wenn abc nicht erfüllt ist und das dann idealerweise noch in einem Satz über fünf Zeilen.
Das stimmt leider!
Vom Inhalt völlig abgesehen kommt der moderne Gesetzgeber allein von den Formulierungen nicht mal Ansatzweise an die Qualität früherer Zeiten heran. In alten, aber oft geänderten Gesetzen wie dem BGB (erlassen zum 1.1.1900) erkennt man die neueren Paragraphen in der Regel recht genau an ihrer Länge.
Wenn man sich allein ein Ungetüm wie § 675 f BGB Zahlungsdienstevertrag ansieht, könnte ich kotzen:
(1) Durch einen Einzelzahlungsvertrag wird der Zahlungsdienstleister verpflichtet, für die Person, die einen Zahlungsdienst als Zahler, Zahlungsempfänger oder in beiden Eigenschaften in Anspruch nimmt (Zahlungsdienstnutzer), einen Zahlungsvorgang auszuführen.
(2) Durch einen Zahlungsdiensterahmenvertrag wird der Zahlungsdienstleister verpflichtet, für den Zahlungsdienstnutzer einzelne und aufeinander folgende Zahlungsvorgänge auszuführen sowie gegebenenfalls für den Zahlungsdienstnutzer ein auf dessen Namen oder die Namen mehrerer Zahlungsdienstnutzer lautendes Zahlungskonto zu führen. Ein Zahlungsdiensterahmenvertrag kann auch Bestandteil eines sonstigen Vertrags sein oder mit einem anderen Vertrag zusammenhängen.
(3) Zahlungsvorgang ist jede Bereitstellung, Übermittlung oder Abhebung eines Geldbetrags, unabhängig von der zugrunde liegenden Rechtsbeziehung zwischen Zahler und Zahlungsempfänger. Zahlungsauftrag ist jeder Auftrag, den ein Zahler seinem Zahlungsdienstleister zur Ausführung eines Zahlungsvorgangs entweder unmittelbar oder mittelbar über den Zahlungsempfänger erteilt.
(4) Der Zahlungsdienstnutzer ist verpflichtet, dem Zahlungsdienstleister das für die Erbringung eines Zahlungsdienstes vereinbarte Entgelt zu entrichten. Für die Erfüllung von Nebenpflichten nach diesem Untertitel hat der Zahlungsdienstleister nur dann einen Anspruch auf ein Entgelt, sofern dies zugelassen und zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlungsdienstleister vereinbart worden ist; dieses Entgelt muss angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein.
(5) In einem Zahlungsdiensterahmenvertrag zwischen dem Zahlungsempfänger und seinem Zahlungsdienstleister darf das Recht des Zahlungsempfängers, dem Zahler für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsauthentifizierungsinstruments eine Ermäßigung anzubieten, nicht ausgeschlossen werden.
Abgesehen davon, daß ich mehrere Anläufe gebraucht habe, um zu entziffern, wo genau beim Zahlungsdiensterahmenvertrag die Silbentrennung sein soll, könnte man alle rot eingefärbten Stellen auch ersatzlos streichem, weil das, was dort steht, aus anderen Regeln ohnehin hervorgeht oder selbstverständlich ist, der Gesetzesinhalt wäre immer noch der gleiche. Und ich war mit dem Setzen der roten Farbe noch äußerst zurückhaltend. Wer alleine auf die Idee gekommen ist, in Abs. 4 zu schreiben, daß der Zahlungsdienstleister Anspruch auf das vereinbarte Entgelt hat (eine notwendige Regelung) und direkt im nächsten Satz, daß für Nebenpflichten nur dann ein Entgelt fällig ist, wenn das vereinbart wurde.... Das ergibt sich ohnehin aus dem direkt vorangegangenen. Warum muss der Satz über die Nebenpflichten zusätzlich zu seiner eigentlichen Regelung (Entgelt muss zugelassen und angemessen sein) das nochmal wiederholen? Als ob diese Regelung irgendwie besonders wäre. Entgelte sind grundsätzlich nur fällig, wenn sie vereinbart wurden. Der ausnahmsweise auftretende, gegenteilige Fall wäre regelungsbedürftig. Aber hier wurde eine schon aus dem allgemeinen Teil des Schuldrechts zu folgernde Selbstverständlichkeit direkt in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen wiederholt. Wer denkt sich sowas aus?
Und dann diese sprachliche Holprigkeit, gefühlt jedes dritte Wort beginnt mit "Zahlungs-". Daß es grundsätzlich einen Unterschied zwischen Zahlungskonten und anderen Konten (etwa Festgeld) gibt, sehe ich ja noch ein. Aber die §§ haben (seit einigen Jahren amtliche) Überschriften. Wenn die Überschrift schon Zahlungsdienstevertrag lautet, reicht es doch völlig aus, im Text selbst von Konto statt Zahlungskonto, von Dienstnutzer statt Zahlungsdienstnutzer etc. zu schreiben.
Windscheid würde sich im Grabe umdrehen, wenn er die aktuelle Fassung des BGB lesen müsste.