Hallo Ihr Lieben,
wie ich im Eingangsposting schon schrieb, habe ich die Geschichte neu Aufgebaut. Dank Reeba, meiner Beta-Leserin, hatte ich einige Fehler im Story-Aufbau gefunden und diese haben mich bewogen, alles noch einmal zu überdenken.
Hier als der neue erste Teil (die wirklichen Änderungen werden erst in späteren Kapiteln wirklich zu merken sein)
1. Eine unverhoffte Reise
Es begann an einem dieser Tage, an denen man morgens mit der Gewissheit eines ereignislosen Tages aufwacht. Schon in den frühen Morgenstunden war die Hitze in jede Ecke des Raumes gekrochen. Der Gedanke, wieder einen ganzen Tag in der Taverne verbringen zu müssen, immer in der Hoffnung, dass doch jemand einen erfahrenen Führer für die Wüste suchte, ließ mich noch eine Weile auf der harten Matratze verweilen.
Lut Gholein hatte schon lange keine Fremden mehr gesehen. Über das Meer wurde die große Handelsstadt am Rande der Wüste immer seltener angesteuert und aus dem Westen kamen keine Reisenden über den Pass. Der Grund dafür war unbekannt, aber in der Stadt wurde gemunkelt, dass in der Wüste ein alter Schrecken herrsche, denn alle, die in das Sandmeer gingen, kamen nicht mehr zurück. Griez, der Anführer der Söldner, hatte schon viele Männer auf diesem Wege verloren. Bald würde die Stadt ungeschützt sein. Die Unruhe unter den Einheimischen wurde größer und in den Tavernen und auf dem Markt gab es nur noch dieses Gesprächsthema.
Ich verscheuchte die trüben Gedanken, stand endlich auf, um meine Kleider über mich zu werfen. Schon die kleinste Bewegung ließ den Schweiß auf meine Stirn treten. Ich blickte auf das Chaos in meinem kleinen Zimmer. Überall lagen Kleidungsstücke zwischen der spärlichen Möblierung verstreut. Auf dem einzigen Tisch stapelten sich Bücher und Karten über die Wüste, und auf dem Stuhl lag eine verstaubte Rüstung aus vergangenen Tagen. Nur das Bett, welches unter dem mit einem bunten Stoff verhangenen Fenster stand, war ordentlich. Ich wandte mich ab, ging durch die Tür auf die Straße und schlug die Richtung zu der größten Taverne der Stadt ein. Sie lag ein Stück die Straße hinab Richtung Meer und war der erste Anlaufpunkt aller Fremden in Lut Gholein.
Der Staub der sich langsam mit Menschen füllenden Straße legte sich mit jedem Schritt auf meine Kleider. Wie jeden Tag schlängelte ich mich, ohne auf die vielen lehmverputzten und mit bunten Vorhängen verzierten Häuser beiderseits der Straße zu achten, durch die Menschen hindurch. Trotz der vielen Menschen dieser Stadt, die vor allem am späten Vormittag die Straßen verstopften, fühlte ich mich allein. Genau deswegen war ich in der Handelsmetropole am Meer geblieben.
Ich hob einen schweren Vorhang beiseite und trat in das düstere Licht der Taverne. Sofort schlugen mir warme, abgestandene Luft und lautes Stimmengewirr entgegen. Alle Söldner und kampferfahrenen Fremdenführer waren an einem Tisch versammelt und die runden Tische entlang der Wände waren verwaist. Es musste tatsächlich ein Fremder auf der Suche nach einem Führer hierher gekommen sein. Zerrissen zwischen dem Wunsch, etwas Abwechslung in den Tag zu bringen und dem Gedanken an ein schattiges Plätzchen in der Stadt, stand ich einige Zeit bewegungslos im Eingang und beobachtete das Treiben. Ein Mann nach dem anderen verließ kopfschüttelnd den Tisch und gab den Blick auf den Fremden frei. Zu meinem Erstaunen saß da kein wohlhabender Mann oder ein breitschultriger Abenteurer. Nein... es war eine junge Frau mit langen, gelockten, schwarzen Haaren. Sie mochte noch keine Zwanzig sein. Ihr zierlicher und schlanker Körper sowie die teure Kleidung ließen vermuten, dass sie aus besserem Hause stammt. Neugierig geworden, ging ich zu dem Tisch. Nur noch eine Handvoll Männer stand um ihn.
„Das kann nicht Euer Ernst sein!“, hörte ich einen von ihnen sagen, bevor auch er den Tisch verließ.
Ich trat vor den Tisch, um die Fremde genauer sehen zu können. Die großen, schwarzen Augen glichen Mandeln und strahlten eine Weisheit aus, die ihrer Jugend widersprach. Verwundert starrte ich sie an.
„Könnt Ihr mich in die Wüste zu den Magiergräbern bringen?“
Nach ein paar Sekunden begriff ich, dass sie mich angesprochen hatte. Verlegen ob meines Starrens stammelte ich: „Ja, natürlich“.
Die am Tisch verbliebenen Männer drehten sich zu mir um und sahen mich verwundert an. Langsam erst wurde mir bewusst, welchem Wagnis ich zugestimmt hatte. Die Magiergräber lagen mitten in der Wüste, eine Reise von mindestens fünf Tagen, ohne einen einzigen schattigen Zufluchtsort oder eine Oase. Nur ein paar zum Teil ausgetrocknete Brunnen, die selten auf einer Karte eingezeichnet waren, konnten einen Wanderer vor dem Tod bewahren – wenn man ihre Lage kannte. An die Gefahren, über die in letzter Zeit gemunkelt wurde, wollte ich erst gar nicht denken. Aber nun hatte ich zugesagt und stand zu meinem Wort. Nach einer kurzen Preisverhandlung, bei der sie sehr schnell meinem normalen Honorar zustimmte, wollte ich doch mehr erfahren.
„Was wollt Ihr in den Gräbern?“
„Lasst uns dies an einem nicht ganz so öffentlichen Platz besprechen“, erwiderte sie.
„Gut, lasst uns in das Hinterzimmer gehen, ich sage dem Wirt Bescheid, dass er uns eine Erfrischung und ein paar Datteln bringen soll.“
Mit diesen Worten drehte ich mich um und bemerkte, dass alle zu uns herüber blickten. Jedem war anzusehen, dass er mich für völlig verrückt hielt, mit einer so jungen Frau mitten in die Wüste zu gehen. Ich versuchte so entschlossen wie möglich zu wirken, während ich zum Tresen ging um den Wirt meine Wünsche mitzuteilen. Er gab mir den Schlüssel und ich winkte meine Auftraggeberin heran.
„Das Zimmer ist im rechten hinteren Teil der Taverne, nicht zu verfehlen. Geht schon vor, ich folge Euch gleich.“
Ich verließ die Taverne und eilte durch die nun menschenverstopfte Straße zu meinem Zimmer. Einige Menschen riefen mir Verwünschungen nach, da ich in meiner Eile keine Rücksicht auf versehentliche Rempeleien nahm. Ich schloss die Tür hinter mir und öffnete eine schwere, eisenbeschlagene Truhe. Die in ihr enthaltene restliche Kleidung warf ich achtlos auf die noch wenigen freien Dielen. Auf dem Boden der Truhe lag ein in Leder gebundenes Packet. Vorsichtig nahm ich es an mich und wickelte die darin befindlichen Papiere aus. Nach einigem Blättern fand ich, wonach ich suchte. Ich hielt einen genauen Plan über die Magiergräber in meinen Händen. Auf der Vorderseite waren die Gräber selbst zu sehen, sieben an der Zahl. Auf der Rückseite war eine Übersicht und eine Beschreibung, wie man zu ihnen gelangte. Dies war das einzige bekannte Schriftstück dieser Gegend, weshalb ich es vermied, es offen liegen zu lassen. Ich rollte die Karte vorsichtig ein und steckte sie in eine Lederhülle. Die restlichen Papiere verstaute ich wieder in der Truhe und verließ das Zimmer.
Leicht außer Atem betrat ich das Hinterzimmer. Sie saß am großen Holztisch und aß eine Dattel. Ich beobachtete kurz ihre anmutigen Bewegungen, bevor ich mich bemerkbar machte. Sie schaute auf und lächelte mich an.
„Ich habe eine Karte von den Gräbern geholt, entschuldigt, dass Ihr warten musstet.“
„Oh, Ihr müsst Euch nicht entschuldigen. Ich habe mich derweil ein wenig erfrischt. Seitdem ich vor drei Tagen aufgebrochen bin, hatte ich keine Gelegenheit zu einer Pause.“
So eine Schüchternheit hatte ich lange nicht erlebt. Ich setzte mich ihr gegenüber und legte die verpackte Karte neben mich.
„Mein Name ist Jamal,“ begann ich mich vorzustellen.
„Ich bin Eilika. Es freut mich, dass Ihr mich führen wollt, Jamal.“ Sie lächelte mich an
„Warum wollt Ihr zu den Magiergräbern, Eilika?“
Sie senkte ihren Blick. Ihre Mimik verriet, dass sie sehr genau überlegte, was sie mir erzählen wollte. Ein leichtes Unbehagen stieg in mir auf. Eine junge Frau wollte in die Wüste und überlegte sich gerade eine Begründung dafür?
„Ich habe jemanden versprochen, etwas aus einem der Gräber zu holen. Es ist wichtig für mich.“ Sie sah mich an, als ob sie mir gerade eine belanglose Kleinigkeit berichtet hätte. Ich entschied mich, weiter keine Fragen zu stellen, vorerst zumindest nicht.
„Also gut,“ sagte ich und entpackte die Karte. „Dies sind die Gräber. Wisst Ihr, in welchem Ihr suchen müsst?“
Sie schüttelte den Kopf und blickte auf die Karte. Ihre Augen glitten immer wieder über die Linien und Zeichen des Blattes.
„Ich schätze, wir werden vor Ort weitersehen,“ sagte ich nach einer Weile. „Wir sollten morgen zeitig aufbrechen, wenn es noch kühl ist. Nehmt ein Zimmer in der Taverne und ruht Euch aus. Es wird nicht einfach werden, zu den Gräbern zu gelangen , denn wir müssen quer durch die Wüste. Ich hole Euch in der Morgendämmerung ab.“
„Ich danke Euch, dass Ihr mich zu den Gräbern bringen wollt,“ sagte sie unverhofft.
„Dankt mir nicht zu früh, es ist ein gefährlicher Weg und ich bin nicht sicher, dass wir es unbeschadet schaffen werden.“ Mit diesen Worten verließ ich den Raum.
Den restlichen Tag verbrachte ich damit, bei den Händlern alles für die Reise zu kaufen. Jeder sah mich an, als ob er mich das letzte Mal zu Gesicht bekommen würde. So oft hatte ich mich schon gewundert, wie schnell sich Neuigkeiten unter diesen vielen Menschen ausbreiten. Je länger der Einkauf dauerte, um so trotziger wurden meine Antworten auf Fragen der Verkäufer über meine Reise und meine Begleiterin. Als der Lebensmittelhändler, bei dem ich jede Woche meine Vorräte erstand, auch das Geld für die angeschriebenen Sachen haben wollte, riss mein Geduldsfaden. Ich knallte ihm die Goldstücke auf die Theke und stapfte wutentbrannt in Richtung meines Zimmers. Die Menschen wichen mir mit ängstlichen Blicken aus, so dass ich trotz der vielen Waren schnell mein Ziel erreichen konnte.
Dort angekommen ließ ich die eben erstandenen Sachen auf mein Bett fallen und ging zur Waschschüssel. Mit einem lauten Platschen tauchte mein Kopf in das lauwarme Wasser. Auch wenn es nicht eiskalt war, was ich ob der sengenden Sonne draußen in den Gassen nicht erwartet hatte, so löschte es doch meine heiße Wut. Langsam klärten sich meine Gedanken und ich ärgerte mich über mich selbst. Jahrelang war es mir gelungen, meiner Umwelt nicht meine Gefühle zu zeigen. Das war eine Stärke, für die mich einige der Söldner hier bewunderten. Ich wunderte mich, warum mich die Händler heute so wütend machten. Schon oft hatten sie mich auf diese Weise angesehen und mit mir gesprochen, bevor ich zu einer Führung in die Wüste aufbrach.
Ich schüttelte den Gedanken von mir und begann meine Kleidung zusammen zu packen und die Vorräte auf zwei gleiche Taschen zu verteilen. Ich säuberte meine alte Rüstung. Viele Scharten und Kratzer waren auf ihr. Ich fuhr jede einzelne mit meinen Fingern nach. Es war mir wie gestern, als ein Schwert die Kratzer in meinen Brustpanzer gehauen hatte. An vielen Stellen hatte es die Verzierung durchbrochen, aber man konnte noch das Muster erkennen. Ich legte die Rüstung sauber auf den Stuhl zurück. Morgen früh würde ich sie mir erneut anlegen. Es war schon schwarz im Fenster, als ich mich endlich schlafen legte.
Flackerndes Feuer erhellte ein Podest in der Mitte eines großen steinernen Saals. Auf dem Podest schwebte ein kleines Amulett. Ich sah, wie eine verhüllte Gestalt auf das Podest zuging und nach dem Amulett griff. Plötzlich erhellte ein gleißendes Licht den Raum.
Ich schreckte aus dem Schlaf. Schweißgebadet saß ich auf der Kante meines Bettes und versuchte mich an den Traum zu erinnern. Doch je fester ich die Bilder halten wollte, desto schneller verschwanden sie. Als er nur noch als eine vage Erinnerung über mir hing , stand ich auf und streckte mich. Die noch kühle Morgenluft, die durch das Fenster hereinzog, klärte meine Gedanken. Nach einer gründlichen Wäsche legte ich meine leichte Rüstung an und stärkte mich mit der letzten noch unverpackten Verpflegung für den Tag. Mit einem letzten Blick auf mein aufgeräumtes Zimmer schloss ich die Tür hinter mir und trat auf die menschenleere Straße.
Der erste helle Streifen zeichnete sich am Horizont ab. Die kühle Luft umfing mich und trieb den letzten Rest Müdigkeit aus meinen Knochen. Schnellen Schrittes ging ich in Richtung der Taverne. Schon von Weitem sah ich eine von einem blauen Umhang verhüllte Gestalt vor der Taverne stehen. Sie wartete also bereits auf mich.
„Guten Morgen, ich hoffe, Ihr habt gut geschlafen und seid für den langen Weg gut gerüstet,“ grüßte ich sie und reichte ihr einen der Vorratsbeutel.
„Guten Morgen. Ich bin bereit, aufzubrechen.“ Sie lächelte mich an und nahm den Beutel. Geschickt knüpfte sie ihn an ihrem Gürtel fest.
„Bereit? Dann lasst uns aufbrechen. Wir sollten bis zum Mittag ein gutes Stück Weg schaffen, bevor es zu heiß zum Weitergehen ist.“
Sie nickte und wir wandten uns gen Stadttor. Um diese Uhrzeit waren noch keine Wachen postiert, so dass wir ungesehen aus dem Tor schlüpfen konnten.
Die Wüste lag friedlich und groß vor der Stadt. Am Horizont verschmolz sie mit dem Himmel, der gerade das gleiche Gelb annahm. Kein Tier oder Mensch war weit und breit zu sehen. Der klare Himmel verhieß erneut einen heißen Tag, an dem sogar die Wüste zu schwitzen scheint.
Ich zog meine Kapuze ins Gesicht und ging voran. Eilika folgte mir rasch und schloss auf. Sie stützte sich auf einen langen Stab, was mir bei ihrem Alter seltsam erschien. Schweigend gingen wir voran, dem Handelspfad tiefer in die Weite folgend. Bald würden wir ihn verlassen müssen und uns einen Weg quer durch die Dünen suchen.
LG Liska