Ihr habt mit eurer Kritik ja teilweise wirklich Recht. Viele Demonstranten haben sicher nicht wirklich über Alternativen nachgedacht - evtl. auch weil auch ein großer Teil aus bildungsfernen Schichten kommt (sogar die high school seniors, die zu uns zum Studieren kamen hatten gerade mal Realschulniveau) - evtl. gibt es wirklich auch einige "Fuck the system!"-Anarchos, die auf den fahrenden Zug aufspringen. Trotzdem trügt das Gefühl der Leute, dass etwas hochgradig verkehrt läuft sicher nicht:
Europäisches Beispiel (Vergleichbares lief/läuft ja in den US im Immobiliensektor):
- EZB senkt zum Ankurbeln der Wirtschaft den Leitzins auf 1,25%
- Die belgisch/französische Bank Dexia leiht sich (auf Grund von mangelndem Eigenkapital) Geld zu dem Zinssatz und investiert es z.B. in griechische Staatsanleihen, die mit 11,25% rentieren
- Wenn Hellas zahlen kann, hat man 10% verdient.
- Kann der Staat die Schulden nicht bedienen, wird das Geld in Form des EFSF für GR bereitgestellt, die Bank bedient sich und andere Länder der EU und damit EU-Bürger tragen nun das Risiko der Anleihen
- Werden die Hilfspakete nicht (mehr) geschnürt, muss die Bank Geld wg. Zahlungsausfall abschreiben. Ist das Institut schlecht aufgestellt, droht sie in Konkurs zu gehen. Falls aber das Geldhaus groß genug und damit systemrelevant ist, sichert der Staat wiederum die Einlagen indem er die schrottigen Anleihen in einer staatsgetragenen "Bad-Bank" auslagert, für die der Bürger "bürgt" (^^) und die Dexia kann sich schön sanieren und weiterhin Boni auszahlen.
--> Minimales Risiko, Aussicht auf hohe Rendite, Verluste können zur Not "verstaatlicht" werden.
Die Banken sind natürlich weder "böse" noch "gut". Eine börsennotierte Privatbank ist eine Firma, die naturgemäß profitorientiert arbeitet. Und die Angestellten arbeiten eben für diese Firma bzw. die Steigerung des Shareholder Value. MMn funktioniert eben die Kontrolle dieser "Firmen" nicht mehr und da braucht man eine viel rigidere Gesetzgebung und zwar leider global (das größte Problem!) um diese Problematik wirklich zu regeln und nicht Liechtenstein, Cayman Islands oder GB dann als lachende Nutznießer zu installieren.
Die Staatsbürger zahlen im Anschluss sonst die Zeche und es fehlen dann Mittel im Bildungssystem, für die Infrastruktur und das Sozialsystem.
So - super. Problematik erkannt, aber machen kann man nix ...
Naja - fast.
Meine (hoffentlich Nicht-Hippie-) Vorschläge:
1. Globale Transaktionsteuer. Dieses Verschieben von Milliardenbeträgen von Fonds und Investmentbanken muss auf jeden Fall versteuert werden. Wenn das wg. Quertreibern unmöglich ist, dann wenigstens EU-weit.
2. Verbot der Spekulation auf Nahrungsmittel. Hab die asozialen Auswirkungen dieser unnatürlichen, durch den Westen induzierten Reispreisschwankungen in Indonesien leider live bebachten müssen. Gibt ja noch genug andere Möglichkeiten für Gezocke.
3. Verkleinerung von Großenbanken (Zerschlagung hört sich so martialisch an). Es darf eigentlich kein Institut geben, das too big to fail ist. Ich mein, wenn der Schreinereibetrieb um die Ecke schlecht wirtschaftet, springt auch nicht der Staat zur Seite.
4. Verbot von Leerverkäufen. Was ich nicht habe, das kann ich auch nicht verkaufen. Ist meine Logik.
Und jetzt meine Hippie-Vorschläge:
5. Bindung des Geldwertes wieder an Materie. Die Geschichte mit dem Gold ist ja seit dem letzten Jahrhundert schon passé, aber dass 97% des im Umlauf befindlichen Geldes nur noch als Datensatz in irgendwelchen Computern herumdiffundiert finde ich problematisch und beängstigend.
6. Freigeld einführen:
Der Geist des Geldes Teil 3 - YouTube ab 5:30.
Ich bin übrigens kein Kommunist - alle Versuche von Planwirtschaft sind ja auch kläglich gescheitert. Aber unsere soziale Marktwirtschaft wird (meinem Gefühl nach) zunehmend asozialer.
Vielleicht bin ich aber Hippie, hoffnungsloser Utopist oder Spinner - aber ich denke schon, dass das Geld dem Menschen (bzw. der Realwirtschaft) dienen sollte und nicht umgekehrt. Leider wird die "Finanzindustrie" imho mehr und mehr zum Selbstzweck und destabilisiert unsere Welt - neben den auch teils positiven Folgen einer global vernetzten Wirtschaft.
Und auch wenn der Protest nix bewirkt. Mein innerer Antrieb befiehlt mir, dort am Samstag hinzugehn.